Montag, 12. Oktober 2009

Ist es möglich, daß man Jahrtausende Zeit gehabt hat, zu schauen, nachzudenken und aufzuzeichnen, und daß man die Jahrtausende hat vergehen lassen wie eine Schulpause, in der man sein Butterbrot ißt und einen Apfel?
Ja, es ist möglich.
Ist es möglich, daß man trotz Erfindungen und Fortschritten, trotz Kultur, Religion und Weltweisheit an der Oberfläche des Lebens geblieben ist? Ist es möglich, daß man sogar diese Oberfläche, die doch immerhin etwas gewesen wäre, mit einem unglaublich langweiligen Stoff überzogen hat, so daß sie aussieht, wie die Salonmöbel in den Sommerferien?
Ja, es ist möglich.
Ist es möglich, daß die ganze Weltgeschichte mißverstanden worden ist? Ist es möglich, daß die Vergangenheit falsch ist, weil man immer von ihren Massen gesprochen hat, gerade, als ob man von einem Zusammenlauf vieler Menschen erzählte, statt von dem Einen zu sagen, um den sie herumstanden, weil er fremd war und starb?
Ja, es ist möglich.
Ist es möglich.

Estos párrafos se encuentran hacia el final del capítulo 14 de “ Los Cuadernos De Malte Laurids Brigge“ (“Die Aufzeichnungen des Malte Laurids Brigge“). 

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Montag, 28. September 2009


Ich fürchte mich so vor der Menschen Wort
Ich fürchte mich so vor der Menschen Wort.
Sie sprechen alles so deutlich aus:
Und dieses heißt Hund und jenes heißt Haus,
und hier ist Beginn, und das Ende ist dort.
Mich bangt auch ihr Sinn, ihr Spiel mit dem Spott,
sie wissen alles, was wird und war;
kein Berg ist ihnen mehr wunderbar;
ihr Garten und Gut grenzt grade an Gott.
Ich will immer warnen und wehren: Bleibt fern.
Die Dinge singen hör ich soo gern.

Ihr rührt sie an: sie sind starr und stumm.

Ihr bringt mir alle die Dinge um.

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Du musst das Leben nicht verstehen

 
Du musst das Leben nicht verstehen,
dann wird es werden wie ein Fest.
Und lass dir jeden Tag geschehen
so wie ein Kind im Weitergehen von jedem Wehen
sich viele Blüten schenken lässt.

Sie aufzusammeln und zu sparen,
das kommt dem Kind nicht in den Sinn.
Es löst sie leise aus den Haaren,
drin sie so gern gefangen waren,
und hält den lieben jungen Jahren
nach neuen seine Hände hin.

Rainer Maria Rilke, 8.1.1898, Berlin-Wilmersdorf

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Lieben

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Aufgang oder Untergang

 



Nenn ich dich Aufgang oder Untergang?
Denn manchmal bin ich vor dem Morgen bang
und greife scheu nach seiner Rosen Röte -
und ahne eine Angst in seiner Flöte
vor Tagen, welche liedlos sind und lang.

Aber die Abende sind mild und mein,
von meinem Schauen sind sie still beschienen;
in meinem Armen schlafen Wälder ein, -
und ich bin selbst das Klingen über ihnen,
und mit dem Dunkel in den Violinen
verwandt durch all mein Dunkelsein.


Aus: Die frühen Gedichte (Gebet der Mädchen zur Maria)

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Ich liebe dich, du sanftestes Gesetz,
an dem wir reiften, da wir mit ihm rangen;
du großes Heimweh, das wir nicht bezwangen,
du Wald, aus dem wir nie hinausgegangen,
du Lied, das wir mit jedem Schweigen sangen,
du dunkles Netz,

darin sich flüchtend die Gefühle fangen.
Du hast dich so unendlich groß begonnen
an jenem Tage, da du uns begannst, -
und wir sind so gereift in deinen Sonnen,
so breit geworden und so tief gepflanzt,
dass du in Menschen, Engeln und Madonnen
dich ruhend jetzt vollenden kannst.

Lass deine Hand am Hang der Himmel ruhn
und dulde stumm, was wir dir dunkel tun.



Rainer Maria Rilke, 26.9.1899, Berlin-Schmargendorf

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Wie soll ich meine Seele halten, daß
sie nicht an deine rührt? Wie soll ich sie
hinheben über dich zu andern Dingen?
Ach gerne möcht ich sie bei irgendwas
Verlorenem im Dunkel unterbringen
an einer fremden stillen Stelle, die
nicht weiterschwingt, wenn deine Tiefen schwingen.
Doch alles, was uns anrührt, dich und mich,
nimmt uns zusammen wie ein Bogenstrich,
der aus zwei Saiten eine Stimme zieht.
Auf welches Instrument sind wir gespannt?
Und welcher Geiger hat uns in der Hand?
O süßes Lied.

Aus: Neue Gedichte (1907)

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Im Jardin des Plantes, Paris


Sein Blick ist vom Vorübergehn der Stäbe
so müd geworden, dass er nichts mehr hält.
Ihm ist, als ob es tausend Stäbe gäbe
und hinter tausend Stäben keine Welt.

Der weiche Gang geschmeidig starker Schritte,
der sich im allerkleinsten Kreise dreht,
ist wie ein Tanz von Kraft um eine Mitte,
in der betäubt ein großer Wille steht.

Nur manchmal schiebt der Vorhang der Pupille
sich lautlos auf -. Dann geht ein Bild hinein,
geht durch der Glieder angespannte Stille -
und hört im Herzen auf zu sein.

(1902/03, de: Neue Gedichte-Nuevas Poesías)




La Pantera
Su mirada  se ha cansado tanto de  observar
esos barrotes ante sí, en incesante desfile,
que en nada más podría detenerse.
Le parece que sólo hay miles de barrotes
y tras ellos ningún mundo existiese.

Mientras avanza dibujando una y otra vez
con sus pisadas círculos estrechos,
el movimiento de sus patas hábiles y fuertes
va mostrando una rotunda danza,
en torno a un centro en el que está adormecida
una imponente voluntad.

Sólo a veces , permite  que se levante
el cortinaje de sus pupilas;
entonces cruza una imagen hacia adentro,
se desliza a través del silencio de sus tensos músculos,
cae en su corazón, se desvanece y muere.

(traducción de E.Moren)

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Eins – lernt man in dem Leben doch : entbehren,
und ganz gewiβ - ob früher oder spät -
des jungen Herzens ungestümes Gähren vergeht.
Dann sieht man tränenlos auf  mancher Bahre,
lernt mänlich Teures missen – und versteht.
Daβ auch der gröβte Schmerz im Lauf der Jahre vergeht.

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Alles ist Eins

Einmal, am Rande des Hains,
stehn wir einsam beisammen
und sind festlich, wie Flammen
fühlen: Alles ist Eins.

Halten uns fest umfaßt;
werden im lauschenden Lande
durch die weichen Gewande
wachsen wie Ast an Ast.

Wiegt ein erwachender Hauch
die Dolden des Oleanders:
sieh, wir sind nicht mehr anders,
und wir wiegen uns auch.

Meine Seele spürt,
daß wir am Tore tasten.
Und sie fragt dich im Rasten:
Hast Du mich hergeführt?

Und du lächelst darauf
so herrlich und heiter
und: bald wandern wir weiter:
Tore gehn auf..

Und wir sind nichtmehr zag,
unser Weg wird kein Weh sein,
wird eine lange Allee sein
aus dem vergangenen Tag.


Aus: Dir zur Feier (1897/98)

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Samstag, 19. September 2009

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Donnerstag, 17. September 2009

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Ich bin wie eine Fahne von Fernen umgeben.
Ich ahne die Winde, die kommen, und muß sie leben,
während die Dinge unten sich noch nicht rühren:
die Türen schließen noch sanft, und in den Kaminen
ist Stille;
die Fenster zittern noch nicht, und der Staub ist noch
schwer.

Da weiß ich die Stürme schon und bin erregt wie das
Meer.
Und breite mich aus und falle in mich hinein
und werfe mich ab und bin ganz allein
in dem großen Sturm.
 

Aus: Das Buch der Bilder

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Ich lebe mein Leben in wachsenden Ringen,
die sich über die Dinge ziehn.
Ich werde den letzen vielleicht nicht vollbringen,
aber versuchen wll ich nicht.
Ich kreise um Gott, um dem uralten Turm,
und ich kreise jahrtausendelang;
und ich weiss noch nict: bin ich ein Falke, ein Sturm
oder ein grosser Gesang?
bin ich ein Falke, ein Sturm
oder ein grosser Gesang?
______________________________
Vivo mi vida en círculos crecientes,
que sobre las cosas se dibujan.
El último quizás no lo complete,
pero quiero intentarlo.
Giro en torno a Dios, a la antiquísima Torre,
durante miles de años voy girando.
Aún no lo sé: ¿soy halcón, soy tormenta
o bien una gran melodía?
Todavía no lo sé: ¿soy halcón, soy tormenta
o solo un gran cántico?

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DU, NUR DU

Du, der ichs nicht sage, dass ich bei Nacht
weinend liege,
deren Wesen mich müde macht
wie eine Wiege.
Du, die mir nicht sagt, wenn sie wacht
meinetwillen:
wie, wenn wir diese Pracht
ohne zu stillen
in uns ertrügen?

Sieh dir die Liebenden an,
wenn erst das Bekennen begann,
wie bald sie lügen.

Du machst mich allein. Dich einzig kann ich vertauschen.
Eine Weile bist dus, dann wieder ist es das Rauschen,
oder es ist ein Duft ohne Rest.
Ach, in den Armen hab ich sie alle verloren,
du nur, du wirst immer wieder geboren:
weil ich niemals dich anhielt, halt ich dich fest
.

Este fragmento de estructura poética es en realidad una ficción de Rilke que lo hace aparecer como una canción alemana desconocida que una de las protagonistas canta , en el capítulo 69 de Los Cuadernos de Malte Laurids Brigge.   Al estar contenido en la más extensa obra de prosa de Rilke , su interpretación va de la mano con el contenido de esta novela.  En el foro de www.rilke.de se ha discutido extensamente su significado.   „Du nur, du“  ha pasado a tener vida propia y está plena de un deslumbrante simbolismo y un hermosísimo ritmo musical.

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Mittwoch, 16. September 2009

Ich liebe mein Leben by Moren

Ich liebe mein Leben  by  Moren

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Sonntag, 13. September 2009

Haydn

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Mittwoch, 2. September 2009

BIOGRAFIE

Frühe Kindheit in Prag (1875-1882)
 

René Karl Wilhelm Johann Josef Maria Rilke wird am 4. Dezember 1875 in Prag geboren. Sein Vater Josef Rilke (1838-1906) ist nach einer gescheiterten Militärlaufbahn Beamter in einer Prager Eisenbahngesellschaft. Die Mutter Sophie (1851-1931) ist Tochter eines Kaufmannes und Kaiserlichen Rats. Sie fühlt sich unter ihrem Stande verheiratet und trennt sich 1885 von ihrem Mann, um in die Nähe des Kaiserlichen Hofes nach Wien zu ziehen. Auch das Verhältnis zu ihrem Sohn ist gespannt. Sie zieht René bis zu seiner Einschulung als Mädchen groß - mit Puppen, Kleidchen und langen Zöpfen.

Schulzeit (1882-1895)


Seine ersten vier Schuljahre verbringt Rilke auf einer katholischen Klosterschule in Prag. Er ist ein guter Schüer, aber weil ein Gymnasium zu teuer ist, soll er die Offizierslaufbahn einschlagen. Er kommt auf eine Militärschule in Österreich. Auch hier schneidet Rilke in den theoretischen Fächern sehr gut ab. Die körperlichen Anforderungen und der rauhe Umgang der Mitschüer sind für den sensiblen Jungen jedoch eine wachsende Belastung. Nach der Versetzung auf die Militär-Oberrealschule 1890 sind seine Kräfte schließlich erschöpft. Rilke bricht die Ausbildung ab.
Gesundheitlich kuriert kommt René auf Beschluß der Eltern im Herbst 1891 auf die Handelsschule in Linz. In dieser Zeit veröffentlicht er sein erstes Gedicht in einer Zeitung, und er fixiert sich immer mehr auf die Literatur. Die Schule bricht er nach einem Jahr endgültig ab, um 1892 für Privatstudien nach Prag heimzukehren. Mit der finanziellen Unterstützung eines Onkels holt er in drei Jahren das nötige Wissen nach, und er besteht die Reifeprüfung 1895 "mit Auszeichung". Darauf schreibt sich René an der Prager Universität ein für die Fächer Geschichte, Kunst und Literatur. Auf elterlichen Wunsch belegt er auch ein Semester Rechtslehre.

München (1896-1899)


1896 geht Rilke als Student der Philosophie nach München, damals ein kosmopolites Zentrum. Im folgenden Jahr lernt er die 36-jährige Lou Andreas-Salomé kennen. Die Tochter eines Petersburger Generals und einer Deutschen ist eine schillernde Persönlichkeit der Münchner Geisteswelt. Sie hat sich literarisch bereits mit mehreren Büchern etabliert. So ist Lou die Autorin der ersten Biografie Friedrich Nietzsches, mit dem sie eine vorübergehende, enge Freundschaft verbunden hatte. Als Rilke sie trifft, ist sie bereits zehn Jahre mit dem Orientalisten Friedrich Karl Andreas verheiratet. In ihrem Verhältnisses mit dem jungen Dichter ist sie Rilke Geliebte, mütterliche Freundin und intellektuelle Lehrerin zugleich. Sie vermittelt ihm Nietzsches Gedankenwelt und begeistert ihn für ihre Heimat, Rußland. Unter Lous Einfluß ändert er selbst seine Handschrift und den Vornamen (von "René zu "Rainer").


Rußlandreisen (1899-1900)
Gemeinsam mit dem Ehepaar Salomé bereist Rilke im Frühling 1899 zum ersten Mal Rußland. In Moskau und St. Petersburg besichtigt er Museen und trifft Maler und Schriftsteller (u.a. Leo Tolstoi). Nach seiner Rückkehr verfaßt Rilke Gedichte für das "Buch der Bilder" und das "Stundenbuch", er schreibt das Prosawerk "Geschichten vom Lieben Gott" sowie seinen Erfolgsband "Die Weise von Liebe und Tod des Cornets Christoph Rilke". Im Mai 1900 fährt er wieder nach Rußland, diesmal mit Lou allein. Sie besuchen Moskau und St. Petersburg und reisen durch die Provinz. Rilkes Eindruck von Rußland ist der eines einfachen, ursprünglichen und unverdorbenen Landes, in dem Glaube und Brüderlichkeit die Menschen zusammenhält. Die soziale Not dieses Landes übersieht er, obwohl er die Sprache einigermaßen beherrscht und von einer Russin begleitet wird.

Worpswede (1900-1904)

 
Bald nach der Heimkehr besucht Rilke die Künstlerkolonie Worpswede bei Bremen. Er will dort gemeinsam mit dem Maler Heinrich Vogeler den Gedichtband "Mir zur Feier" fertigstellen. Bei den dortigen Künstlern findet er schnell Resonanz, und so zieht Rilke 1901 ganz in das Dorf. Er lernt die Bildhauerin Clara Westhoff kennen, eine ehemalige Schülerin von Rodin. Im April 1901 heiraten die beiden. Im selben Jahr kommt die Tochter Ruth zur Welt. Es stellt sich aber kein Familienleben ein. Man beschließt, sich in Freundschaft zu trennen, auf daß man voneinander ungestört seiner Arbeit nachgehen könne. Die Künstler, mit denen er in der Moor- und Heidelandschaft lebte, stellt Rilke in der Monographie "Worpswede" dar.

Paris (1904-1914)

 
Rodin, der auch der Lehrer von Clara Westhoff war, soll die prägende Person in Rilkes nächstem Lebensabschnitt werden. Mit dem Auftrag, eine Monographie über den Bildhauer zu schreiben, begibt sich dieser im August 1902 nach Paris. Rodin ist 35 Jahre älter als Rilke, ein etablierter und vielbeschäftiger Künstler. Aber er nimmt sich Zeit für den jungen deutschen Dichter, der noch Probleme mit dem Französischen hat. Rilke ist bald ein regelmäßiger Gast in Rodins Atelier. Der Bildhauer vermittelt ihm sein Kunstverständnis und vor allem seine Arbeitsmoral: "Il faut travailler, rien que travailler, et il faut avoir patience." Die Verschiedenheit der Temperamente belastet jedoch die Beziehung, und so kommt es 1906 zu einem Bruch. Man versöhnt sich im folgenden Jahr, und Rilke wird noch einmal Rodins Sekretär, aber 1907 folgt das endgültige Zerwürfnis.
Zu Zeiten ihrer Freundschaft weist Rodin ihn in die Kunststadt Paris ein. Mit ihrem unerschöpfliches Reservoir an schönen Eindrücken in Museen, Parks und Boulevards versorgt diese den Dichter mit Motiven für seine "Dinggedichte", wie "Das Karussell" oder "Archaïser Torso Apollos". Rilke veröffentlicht diese Eindrücke in den Bänden Neue Gedichte und "Der neuen Gedichte anderer Teil". Das Paris der Jahrhundertwende ist aber auch eine moderne, anonyme Metropole, an deren Rohheit Rilke zu zerbrechen droht, wie zuvor in der Militärakademie. Das Elend des mechanisierten Großstadtlebens ist ein Hauptmotiv des Romans "Die Aufzeichnungen des Malte Laurids Brigge".

Weitere Reisen
Während seiner Pariser Jahre reist Rilke viel. Ab 1903 hält er sich häufiger in Italien auf. In dem Badeort Viareggio schreibt er das "Stundenbuch", von September 1903 bis Juni 1904 fährt er mit Clara nach Rom, und in den Jahren 1906 bis 1908 besucht er wiederholt Capri. Schweden und Dänemark sind 1904 seine Ziele. 1905 berichtet er über die Samskola. Im Sommer 1906 besucht er in Flandern u.a. die Orte Furnes und Brügge. Nach einem weiteren Rombesuch fährt er an die Adria nach Duino. Dort empfängt ihn die Fürstin Marie von Thurn und Taxis auf ihrem Schloß . Zwischen dem Dichter und der Dame entsteht eine lebenslange Freundschaft, und das fürstliche Anwesen wird 1912 Enstehungsort der ersten zwei "Duineser Elegien". Im November 1910 macht Rilke sich zusammen mit Freunden nach Nordafrika auf. Man durchquert es von Algier über Tunis nach Kairo, um dann den Nil hoch zu fahren bis hinter Luxor und Assuan. Rilke beeindrucken der ägyptische Totenkult und die altägyptische Plastik, aber ihm scheint die Reise im Nachhinein doch als etwas "verfehltes". Erfreulicher ist die Fahrt nach Spanien im Jahre 1912: Auf den Spuren des Malers El Greco zieht es Rilke nach Toledo und in den Süden des Landes. Neben der Kunst fasziniert ihn das Nebeneinander von Katholizismus und Islam sowie natürlich die Spanische Landschaft.

Krieg und Revolution (1914-1919)
 
Als der erste Weltkrieg ausbricht, weilt Rilke gerade in München. Die Katastrophe trifft ihn völlig unerwartet: In Paris hat er eine vollständig eingerichtete Wohnung zurückgelassen. In einer ersten Euphorie spricht er dem Krieg eine mythische Größe zu. Angesichts der Brutalität der Geschehnisse ändert er schnell seine Meinung. Im ersten Kriegsjahr beschäftigt ihn allerdings vor allem eine Kurbekanntschaft, mit der er sogar kurzfristig zusammenzieht: Es ist die 23-jährige, verheiratete Malerin Lulu Albert-Lasard, die ihn auch zu einigen Gedichten inspiriert, wie "Ausgesetzt auf den Bergen des Herzens". Rilkes Produktivität wächst zum Herbst 1915, als er die Vierte Duineser Elegie verfaßt. Es folgt eine Krise, die ein mehrjähriges künstlerisches Verstummen Rilkes hervorruft: Die Verpflichtung in den Dienst der österreichischen Armee. Nach einer dreiwöchigen für ihn verheerenden Drillzeit im Januar 1916 kommt er in das österreichische Kriegsarchiv. Dank seiner einflußreichen Freundinnen und Freunde wird er schon im Juli 1916 aus dem Militärdienst entlassen. Das Ende des Krieges und die revolutionäre Zeit danach lassem ihm jedoch auch als Zivilisten keine Ruhe für weitere literarische Arbeiten. Statt dessen bemüht er sich, das Zeitgeschehen nachzuvollziehen, liest viele Zeitungen und diskutiert die Wandlungen in Briefen. Er unterhält Beziehungen zu allen politischen Lagern, vom Hochadel bis zu sozialistischen Revolutionären. So kommt es u.a. zu mehreren Durchsuchungen seiner Wohnung.

Die letzten Jahre in der Schweiz (1919-1926)

 
Äußerer Anlaß für Rilkes Umzug in die Schweiz ist die Einladung eines Lesezirkels zu einer Vortragsreise. Im August 1919 schreibt er in Soglio das"Ur-Geräusch". Rilke nutzt die Reise in die Schweiz als Gelegenheit, eine Zäsur zu machen. Nach dem Zerfall des Habsburger Vielvölkerstaates ist sein Paß ungültig. So beantragt der gebürtige Prager die tschechoslowakische Staatsbürgerschaft, die er 1920 erhält. Er reist viel herum, fährt nach Venedig und Paris. Nach Deutschland kehrt er nicht zurück. Den Winter 1920/21 verbringt Rilke unproduktiv in einem Schloß im zürcher Weinland. Im folgenden Frühling findet er ein Heim, das ganz seinen Bedürfnissen entspricht: Einen heruntergekommenen Turm aus dem 13. Jahrhundert, einsam gelegen im Rhône-Tal. Bevor der Dichter einzieht in den "Turm von Muzot" (sprich: "Müsott"), wird dieser noch schnell renoviert und mit einer Haushälterin besetzt. Jetzt gilt es, die Arbeit zu vollenden, von der ihn die Einberufung zum ersten Weltkrieg weggerissen hatte und für die er danach nie wieder die Konzentration fand: Die Duineser Elegien. Der Bann hält bis zum Februar 1922. In diesem Monat verfaßt Rilke von 2. bis zum 5. zunächst 26 "Sonette an Orpheus", vom 7. bis 14. die sechs fehlenden Duineser Elegien und vom 15. bis zum 23. weitere 29 Sonette an Orpheus. In den folgenden Jahren bleibt Muzot Rilkes Rückhalt. Von dort reist er viel umher, um Freunde zu besuchen, und verbringt eine glückliche Zeit. Er verfaßt weitere Gedichte, teilweise in Französisch. 1925 verbringt er noch einmal einen Frühling in Paris. Dort wird er wo der Dichter von Literaten wie André Gide und Paul Valéry gefeiert. Eine Krankheit, wegen der Rilke schon seit 1923 immer wieder zu Aufenthalten im Sanatorium gezwungen war, erfordert jedoch seine plötzliche Abfahrt. Sein Zustand verschlimmert sich 1926 weiter. Er bleibt in der Schweiz und kommt im Dezember in das Sanatorium von Val-Mont. Am 29. Dezember 1926 stirbt Rilke an Leukämie. Am zweiten Januar 1927 wird er in Raron im Kanton Wallis beigesetzt. Sein Grabspruch lauet auf eigenen Wunsch:

Rose, oh reiner Widerspruch, Lust,
Niemandes Schlaf zu sein unter soviel
Lidern.

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